Kofferpacken war angesagt. Der Plan war die Hälfte der Strecke bis Kapstadt zurück zu legen und dann noch einen Tag Pause einzulegen. Vor der Abfahrt hatte Noah noch die Babystrausse entdeckt und sich von ihnen verabschiedet. Seine Zipline musste auch noch ein paar Fahrten aushalten.
Es sollten dreißig Grad und mehr werden in dieser Region. Der Himmel war wolkenlos. So kannte der Opa die Gegend der Halbwüste Klein Karoo. Wir fuhren durch Oudtshoorn und tankten am Ortsausgang nochmal voll. Direkt danach hatten wir die Route 62 erreicht. Bei Südafrikafans hat sie ähnlichen Kultstatus wie die Route 66 in den Staaten.
Der erste Stopp erfolgte nur wenige Kilometer nach dem Ortsausgang. Rechts ging eine vertraute Schotterstraße ab. Hier war Opa im früheren Leben oft abgebogen. Das war aber nicht der Grund für den Halt. Hier stand das Hinweisschild für die kleine Siedlung Lategansvlei. Rasch wurde ein Handyfoto davon gemacht und an Dean Lategan verschickt. Dean hatte der Opa 2022 kennengelernt, als beide den Jakobsweg gingen. Drei Etappen gingen sie damals zusammen. Sie kamen schnell auf Südafrika zu sprechen. Dean sagte an diesem Ort hätte sich einer der vier Söhne von Johann H. Lategan aus Billmerich (Deutschland) (erster Lategan) niedergelassen und eine Farm betrieben. Sein Großvater wurde dort geboren. Er selbst wuchs in der Nähe der Cango Caves auf. Die Siedlung trägt heute noch den Namen seiner Familie. Und der Opa hatte hier viele Urlaube verbracht und angefangen, sich in kleinem Rahmen sozial zu engagieren.
Dean meldete sich tatsächlich etwas später und wiederholte seine Geschichte. Das damalige Treffen mit ihm war auch so eines von vielen Mysterien des Jakobsweges. Der Weg verschafft dir Begegnungen und Erlebnisse, die ganz fest mit deinem Leben verknüpft sind.
Aber weiter zu unserer Reise. Die Route 62 noch einmal bei bestem Wetter zu fahren, war für Opa eine Freude. Geplant waren zwei längere Stopps. Davon einer, um Mittag zu essen. Die Straße war weit und frei. Kaum Gegenverkehr und nur ganz wenige Überholer. Vielleicht alle zehn Kilometer ein Fahrzeug.
Plötzlich eine Kontrollstelle der Polizei. Wir wurden rausgewunken. Die Auswahl war ja nicht schwer, vor und hinter uns war ja sonst für Minuten niemand. Mit unserem Enzokuhle hatten wir wohl keinen üblichen Touri Wagen und wurden für Einheimische gehalten. So erfolgte die Ansprache auch in Afrikaans. Außer baie dankie (vielen Dank) konnte der Opa nichts mehr. Er bat darum, Englisch sprechen zu dürfen. Kein Problem. Der junge Officer stellte sich mit Dienstgrad und Namen vor. Und dann bat er um den Führerschein. Opa holte den schnell raus und sagte dazu auf Englisch, dass er noch den Internationalen Führerschein rausholt, weil der besser lesbar ist. Über Jahre hatte er den immer umsonst mit gehabt. Jetzt sollte der doch endlich zum Einsatz kommen. Der junge Polizist nahm alles an sich, ging zur Plakette des Autovermieters und musterte diese. Spätestens da war ihm klar, wir waren Touris. Schon war die Kontrolle beendet. Ein wenig Smalltalk und dann gute Reise und schönen Urlaub. Entweder dachte er, da läuft eh alles richtig oder sie lassen die Touristen generell in Ruhe, weil sie frisches Geld ins Land spülen.
Nächster Halt Ronnys Sex Shop. Mittlerweile findet man diesen Stopp auch in Reiseführern. Ronny ist ein Urgestein der Route 62. Der Erzählung nach hatte er früher, das ist schon Jahrzehnte her, einen kleinen Shop mitten im nirgendwo. Hier konnten sich Landarbeiter nach der Arbeit mit dem Nötigsten versorgen, natürlich auch mit eisgekühltem Bier. In roten Lettern war draußen weithin sichtbar Ronnys Shop aufgemalt. Man sagt, dass hier jemand spaßeshalber nach einer durchzechten Nacht das Wort Sex ergänzt hätte. So zog Ronnys Sex Shop mit der Zeit immer mehr Neugierige an. Die Gäste verzierten die Räume im Laufe der Jahre mit BHs, Slips, T-Shirts, Promis pinnten Autogrammkarten an, andere ihre Visitenkarten.
Man bekommt dort immer noch Kaltgetränke oder Roadkill Burger. Die Karte ist originell, da sie vorgibt, die Patties aus überfahrenen Tieren (Roadkills) zu machen. Was wahrscheinlich nicht stimmt ;-)
Ob die Geschichte von Ronny wahr ist oder nur ein guter Werbegag, ist eigentlich egal. Das muss man gesehen haben und in der Halbwüste mitten im Nirgendwo ein kaltes Wasser oder eine Coke, auch ein kaltes Bier zu bekommen, ist einfach gut.
Noah freundete sich direkt mit dem erwachsenen Sohn von Ronny an, der dort gerade alles allein managte. Ronny selbst war nicht dort, wir hätten sonst ein Foto mit ihm gemacht. Da Ronny mit einer deutschstämmigen Frau verheiratet ist, konnte der Sohn deutsch und Noah wollte unbedingt unsere Getränke mit seinem Taschengeld bezahlen. Es war aber schon alles bezahlt. Die Diskussion der Beiden war süß.
Es wurde unerträglich heiß und wir hatten noch etwa eine halbe Stunde bis zur geplanten Mittagspause vor uns. In Barrydale gab es einige originelle Restaurants und einen Souvenirladen - Hardy's Memorys of Africa. Nachdem wir satt waren, ging es in den Souvenirladen. Das Angebot war enttäuschend. Opa konnte sich noch an viel mehr Auswahl und viel mehr Verkaufsfläche erinnern. Wie sich alles verändert hat in wenigen Jahren. Teilweise ist einfach nur die Luft raus, teilweise hat man sich nach der Pandemie wirtschaftlich nicht wieder erholt.
Jetzt lagen nur noch wenige Kilometer vor uns bis zur Marula Lodge. Walter erwartete uns und hatte uns über booking.com ein paar Tipps für die Anfahrt geschrieben. Da war natürlich auch die Route 62 und Ronnys Sex Shop dabei. Ein super Service von ihm. Opa war gespannt, den neuen Besitzer kennen zu lernen.
Wir verließen diese schöne Strecke und fuhren nun ein letztes Mal eine schöne Passstraße, den Tradouwpass. Zur Freude von Yve und Uschi war es eine "richtige" Straße. Die Autobahn N2 war schnell erreicht und nach ein paar Minuten fuhren wir in Swellendam ab. Zuerst suchten wir eine Wäscherei, um ein letztes Mal waschen zu lassen. Die Suche über google.maps führte uns leider nur zu bereits aufgegebenen oder temporär geschlossenen Wäschereien.
Also ging es zur Lodge. Die kannte der Opa von früher. Es hatte über die Jahre einen Besitzerwechsel gegeben. Walter begrüßte uns herzlich mit seinem norddeutschen Akzent. Wir bekamen eine kurze Einweisung in seine Anlage. Zur Zeit führt er die Lodge allein mit seinen netten Hausangestellten. Seine Frau kommt nach, sobald sie verrentet ist. Die Marula Lodge war früher schon liebevoll gestaltet und topp in Schuss. Soweit Opa sich erinnern konnte, hat sich das erhalten und sogar verbessert. Dazu ist Walter ein angenehmer Gastgeber, ein bisschen wie ein Herbergsvater. Sein norddeutscher Humor rundete alles angenehm ab.
Und für das Problem mit der Wäsche hatte er auch eine Lösung. Seine Angestellten würden das bestimmt gern übernehmen und sich so etwas dazu verdienen. Wir sollten am nächsten Morgen einfach mal fragen.
Ein letztes Mal wurden die Koffer ausgeladen und die beiden Zimmer bezogen. Tolle Matratzen sorgen für einen guten Schlaf. Der letzte Tag stand bevor. Alle waren sich einig, dass es ein Tag am Pool geben wird.
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Wieder einmal tolle Impressionen, und spannender Bericht. Die Anlage der Lodge, so schön. So viel faszinierende Natur, man möchte auswandern ....
Liebe Grüße