Eine TOWNSHIP TOUR in Kapstadt
Bevor jeder Einzelne von uns seine ganz individuellen Eindrücke dieses sehr besonderen Tages vermittelt, zunächst einige allgemeine Infos:
Eine Township-Tour im ältesten Township von Kapstadt, Langa, bietet eine einzigartige Gelegenheit, die Geschichte und Kultur Südafrikas hautnah zu erleben. Solche Touren verbinden Bildung, soziale Verantwortung und den Wunsch, die Gemeinschaft nachhaltig zu unterstützen. Langa, 1927 gegründet, ist eng mit der Geschichte der Apartheid verbunden und spielte eine zentrale Rolle im Kampf gegen Rassentrennung und Ungerechtigkeit.
Historisch: Besucher erfahren viel über den Widerstand, der hier gegen das Apartheid-Regime geleistet wurde und können sich in Museen oder durch Geschichten von Ortsansässigen über die bedeutende Rolle der Townships im Freiheitskampf erfahren.
Nachhaltigkeit: Nachhaltige Township-Touren (auf Augenhöhe!) sind darauf ausgerichtet, nicht nur die kulturellen und historischen Aspekte hervorzuheben, sondern auch die lokale Gemeinschaft zu unterstützen.
Dies kann auf verschiedene Weise geschehen:
Lokale Reiseleiter: Es ist wichtig, dass die Touren von Menschen aus der Gemeinschaft geleitet werden, die ihre Geschichte und die Kultur authentisch vermitteln können. Dadurch fliesst das Einkommen direkt in Projekte im Township und unterstützt die Bewohner.
Yvonne:
Jeder von uns kennt solche und ähnliche Bilder aus den Medien. Ich war sehr gespannt, was dieser Besuch live vor Ort mit mir machen würde. Ich freute mich auch sehr darauf Jörg, den Gründer von Township Help, endlich live zu begegnen und das von ihm gegründete Kinderheim zu besuchen.
Der Weg zum Township musste zunächst gesucht werden. Das Konzept der African-Time kam mir in den Sinn. Hierbei richtet sich die Zeit und ihr Konzept nach den Belangen und Bedürfnissen der Menschen und nicht umgekehrt. Eine Dorfveranstaltung beginnt, wenn alle da sind. Zeit ist einfach da, sie steht frei zur Verfügung. Die Menschen sind im Jetzt. Etwas, was in westlichen Gebieten mühsam zurück erobert werden muss - eines der Konzepte, welche ich mit nach Hause nehme.
Der Treffpunkt war ein Gemeindeort, frei für jeden und jedes Kind als Ort der Entfaltung nutzbar. Ich hatte mit einem Gefühl der Beklemmung, Vorsicht oder gar Angst gerechnet. Tatsächlich war dies zu keinem Moment der Fall. Stattdessen ergab sich ein tiefes Gefühl der Ehrfurcht, des Respekts, der Verbindung und der Dankbarkeit.
Unser Guide hat uns die Wörter für Hallo - Molo und Danke - Engosi beigebracht. Tatsächlich war mir durchweg nach Danke zumute. Während wir die endlosen Landschaften von Hütten, Wellblechbehausungen und Müll durchquerten, war es nicht das, was ich wahrnahm. Sondern Dinge, die uns im Westen verloren gegangen sind.
Diese Menschen, die nichts haben und keine Aussicht auf Änderung, haben uns vorurteilsfrei und frei in ihrem Zuhause empfangen, an ihrer Kultur und Geschichte teilhaben lassen. In ihren Gesichtern sind Geschichten zu lesen, was sie nicht daran hindert zu Lächeln und zu lachen und mit uns zu sprechen.
Offen und neugierig haben die Kinder Noah in den Arm genommen und sofort als einen der ihren integriert. Sprache, Hautfarbe, Kultur, arm/reich spielte keine Rolle.
Die Menschen sind tief verwurzelt mit ihrer Geschichte, Region und Kultur. Auch etwas, was bei uns verloren gegangen ist. Während unser Guide von der Geschichte der Townships und ihrer Freiheitskämpfer berichtete, war ich tief beeindruckt von dem Mut dieser Menschen, welche für Freiheit, Frieden und Gleichberechtigung kämpften. Es ging um Ausgrenzung, um Ungerechtigkeit, Familien welche ohne Sinn auseinander gerissen wurden, um eine Regierung, welche für ihre Zwecke Wahrheiten entfremden, welche zu Aufspaltung und Aufhetzung führt. Willkürliche Exekutive und korrupte Richter. Es geht um Menschen, die aufstehen und mutig, egal mit welchen Konsequenzen, Nein sagen und ihrem Herzen folgen. Krieger des Lichts, die unser Guide in seinen Erzählungen am Leben hält.
Eine Dame, Lady Cécile, weigerte sich den vom der Regierung verlangten Dumb-Pass (ein Dokument in dem das komplette Leben einer farbigen Person enthielt und immer griffbereit sein musste) bei sich zu tragen und wanderte immer wieder ins Gefängnis. Mandela, welcher von Meinungsfreiheit und Gleichheit und Frieden stand. Die Schulen, welche sich weigerten das zu unterrichten, was die Regierung als zweckmäßig empfand. Nicht zuletzt die riesigen Jugendprotestmärsche, bei denen Jugendliche ums Leben kamen. Es waren friedliche Proteste mit klaren Botschaften, das sie gewaltfrei protestierten. Trotzdem wurde auf sie geschossen.
All dies passiert immer wieder überall auf der Welt, ich selbst habe mich vor einigen Jahren in unserem Land mit ähnlichem konfrontiert gesehen. Der Gedanke macht sich breit, wann die Menschen endlich verstehen- wann sie sich über all das erheben. Unser Guide wollte, dass wir das, was wir erlebt haben und das Gefühl dahinter, weiter verbreiten in die Welt. Das werde ich in meinem Herzen und Leben tun.
Die Vorschule, welche wir besuchten, war auf zwei Räume beschränkt. -Light on us- steht am Eingang. Die Kinder dort waren Kinder, wie alle Kinder. Sie sangen, spielten, aßen und waren neugierig. Ihre Augen waren neugierig, frei und unschuldig. Zu wissen, dass sie nicht die gleichen Chancen haben wie Noah machte mich tief traurig.
Ein kleines Pflaster war die Tatsache, dass wir im Anschluss die schönen Spenden zu Jörg bringen konnten. Wenigstens etwas tun zu können. Jörg hat wirklich eine kleine Insel in Langa geschaffen. Die Geschichten der Kinder, welche dort untergebracht sind, haben mich tief berührt. Viele der bisher 22 Kinder sind keine wirklichen Waisen, sondern einfach nicht gewollt. Der Vater ist schlicht gegangen und die Mutter ist drogenabhängig oder vom neuen Partner umgebracht worden. Gerade in den letzten Wochen wurden drei kleine Wesen aufgenommen, wo es so war. Die Mama tot und der Papa weit weg und nicht interessiert. Sie haben keinerlei Liebe, Zuwendung, System oder Zuhause erlebt. Menschen wie Jörg und seine Mithelfer geben all ihre Energie, um etwas zu tun. Es sind die neuen Kämpfer von damals. Als nächstes steht ein Solaranlagen-Projekt an, um das Kinderheim autark von Stromausfällen zu machen. Auch dieses möchte ich unterstützen. Ich danke an dieser Stelle noch einmal allen Unterstützern.
Ich danke für diese Erfahrung, ich ging mit mehr als ich kam.
Noah: Ich mochte das kleine Mädchen Okushe, wir haben uns direkt verstanden und gekuschelt. Als ich gegangen bin hat sie geweint. Ihr Papa möchte studieren und hat noch viel vor. Ich hoffe, er schafft es. Dann könne sie mit Okushe in den schöneren Teil von Langa -Beverly Hills- ziehen. Vielleicht kann Okushe dann zur Schule wie ich und bekommt einen Job. (Auch wenn Menschen dies schaffen und in einen anderen Ort ziehen, haben sie es schwer dort anerkannt zu werden und Fuß zu fassen. Akzeptanz ist bis heute ein Problem).
Und ich war schockiert von den Schafsköpfen, die einfach so rumlagen und gegrillt werden sollten. Auch wenn ich weiß, dass das Tier ist, was wir essen, tut mir das leid. Es ist doof, dass die Leute so kleine Wohnung haben und ich weiß immer noch nicht wo sie Pippi machen gehen.
Uschi (die Oma): Ich bin mit sehr viel Erfurcht in den Besuch des Townships gegangen. In den Medien sieht man sowas öfter, aber wie ist das in Wirklichkeit?
Unser Guide hat uns viel erzählt über die Geschichte Südafrikas, über Apartheid, über Menschen, die mutig gekämpft haben und dafür gequält oder getötet wurden... völlig sinnlos wurden unendlich viele Unschuldige ermordet, weil sie sich nicht einschüchtern ließen. Und es geschieht weiter....überall auf der Welt. Wie hat Joan Baez so schön gesungen.....when will they ever learn...when will they ever learn?
Und dann konnten wir uns einige Wohnungen anschauen. Und ich muss sagen, ich habe mich geschämt. Ich habe mich dafür geschämt, wie man in unseren Breitengraden von ständiger Unzufriedenheit erfüllt sich selbst und anderen das Leben schwer macht. Zu sehen, dass 4 Menschen in einer Wellblechhütte leben, eine Matratze, kleine Kochstelle, Kühlschrank, keine Toilette, kein fließendes Wasser, hat mich tief betroffen gemacht. Es ist unbegreiflich, dass in dieser Welt Menschen so leben müssen... so menschenunwürdig, ohne Perspektive, es fehlt am Nötigsten.
Überall Schmutz, Müll...die Kinder spielen und leben in einer Umgebung, die menschenfeindlich ist. Umso großartiger ist dieses helle, freundliche Kinderheim, in dem 22 Kinderseelen ein behütetes Zuhause gefunden haben. Dieses Heim ist ein leuchtender Stern aus Hoffnung in der Dunkelheit. Ich bin dankbar und tief berührt für diese Erfahrung, die tief in meinem Herzen wohnt.
Acor (der Opa): es ist fast alles gesagt. Der Besuch wirkt nach. Am heutigen Tag machten wir wenig und bereiteten den Tag nach. Im Auslandseinsatz in einem Krisengebiet habe ich schon viel gesehen. Das hier ist anders. Anders schlimm. Es wurden bereits viele Eindrücke und Erfahrungen des gestrigen Tages geschildert. Das hat mich auch mitgenommen. Zuhause beklagen Uschi und ich uns darüber, dass ein Zimmer mehr in unserer Wohnung toll wäre. Dann stand ich in einer Wohnung, in der drei Familien wohnen. Wohnung hört sich so normal an. Diese Wohnung bestand aus einem Raum! Vielleicht 4 mal 4 Meter. Zwei Etagenbetten, ein Kühlschrank, eine Kochstelle und einen Fernseher. Ein Bett teilen sich mindestens drei Menschen. Größere Kinder schlafen auf dem Boden. Wie gesagt - drei Familien, die dort leben. Von der Regierung temporär dort zusammen gepfercht. Und temporär ist ein dehnbarer Begriff.
So fängt man wohl an, wenn man neu nach Langa kommt. Es gibt weitere Zwischenstufen bis hin zu luxuriös wirkenden Häusern. Dieses Viertel wird das Beverly Hills von Langa genannt.
Noch eine Anmerkung zur Kriminalität dort. Die gibt es fast nicht. Wir konnten mit so vielen Menschen sprechen und fühlten uns immer sicher. Es war eine schwarze Community, in der noch viele interne Regeln und Traditionen gelten. Kriminalität ist dort keine Option, es zählt der Gedanke der Tradition und der Gemeinschaft.
An diesen Tag werden wir alle noch lange denken.
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Kommentare
Ihr Lieben,
vielen Dank für Eure tief berührenden und sehr interessant geschriebenen Berichte.
Diese regen wirklich sehr zum Nachdenken an und machen beim Lesen schon traurig. Es ist sicher für Euch vor Ort ein tiefgreifenden, emotionales und auch nachhaltiges Erlebnis.
Danny